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‚Bendita y Alabada‘: Das Stoßgebet, das im Herzen des Pilar und Aragóns schlägt

Es gibt Orte auf der Welt, an denen Steine sprechen, an denen man Geschichte atmen kann und an denen der Glaube seine eigene Klangkulisse hat. In Saragossa, im Herzen der vom Ebro umspülten Stadt, gibt es einen Klang, der den Takt der Tage angibt, eine Hymne, die aus den Tiefen der Basilika des Pilar aufsteigt und sich mit dem Schlagen Tausender Herzen verbindet. Es ist nicht nur eine Melodie; es ist ein kollektiver Seufzer, ein Schrei des Glaubens und der Identität. Es ist der Moment, in dem, pünktlich wie die Sonne, der gesamte Tempel mit den feierlichen und doch freudigen Klängen von ‚Bendita y Alabada‘ erfüllt ist.

Doch warum ist es diesem Lied und keinem anderen vorbehalten, jeden Tag zu erklingen? Welche Geheimnisse birgt diese Tradition, die selbst den säkularisiertesten Menschen dazu bringt, innezuhalten und den Blick nach oben zu richten? Die Antwort ist eine faszinierende Reise, die auf den Flüssen der Geschichte, der Theologie, der aragonischen Kultur und einer Hingabe segelt, die ein Königreich geformt hat. Und um sie zu verstehen, müssen wir mit einem machtvollen und bedeutungsvollen Wort beginnen: Stoßgebet (Jaculatoria).

Es ist nicht nur eine Hymne: Es ist ein Stoßgebet, ein Pfeilschuss gen Himmel

Im Reichtum der katholischen Spiritualität ist ein Stoßgebet (Jaculatoria) ein kurzes, inbrünstiges und spontanes Gebet, das wie ein Pfeil der Liebe und des Lobes zum Himmel geschickt wird. Es ist ein Schrei der Seele in Momenten der Freude, der Trauer oder der Not. ‚Bendita y Alabada‘ ist in seiner reinsten Essenz das marianische Stoßgebet Aragóns schlechthin.

Sein Text, “Gepriesen und gelobt sei die Stunde, in der Maria, die Allerheiligste, in sterblichem Fleisch nach Saragossa kam”, konzentriert einen monumentalen Glauben in einer einzigen Zeile. Es ist keine Strophe aus einem langen Gedicht; es ist ein schneller, intensiver und direkter Akt der Hingabe. Diese Eigenschaft als Stoßgebet erklärt seine Kraft und seine Leichtigkeit, von Kindern und Alten, von Gläubigen und von denen, die ohne praktizierend zu sein, die Flamme der kulturellen Identität spüren, auswendig gelernt und rezitiert zu werden. Es ist der fromme Pfeil, der das Herz des Gläubigen mit dem Geheimnis der Erscheinung der Jungfrau verbindet.

Der Ursprung des Stoßgebets: Das Wunder der Erscheinung

Um den Keim dieses Lobes zu finden, müssen wir bis ins Jahr 40 n. Chr. zurückgehen. Jakobus der Ältere, einer der Apostel Jesu, predigte im römischen Hispanien, damals ein Land der Heiden, und fühlte sich gescheitert und entmutigt. An den Ufern des Flusses Ebro erschien ihm, der Überlieferung nach, die Jungfrau Maria auf einer Jaspissäule (el Pilar), noch zu ihren Lebzeiten, um ihn zu trösten und ihm den Bau einer Kapelle an ebendieser Stelle aufzutragen.

Dieser Augenblick, diese “Stunde”, auf die das Stoßgebet anspielt, ist die grundlegende Säule des Glaubens in Aragón und eines der am meisten verehrten Glaubenssätze der Kirche in Spanien. Das Lied ‚Bendita y Alabada‘ ist die musikalische und kollektive Vergegenwärtigung jenes Stoßgebets, das die Gläubigen über Jahrhunderte hinweg beim Vorbeigehen an der Heiligen Kapelle leise rezitiert haben. Es ist die Art, generationenübergreifend zu sagen: “Wir erinnern uns. Wir glauben. Wir sind voller Ehrfurcht.”

Die Glocke, die zum kollektiven Stoßgebet ruft: “La Benditera”

Bevor es moderne Soundsysteme gab, war es eine Glocke, die die Gläubigen zu diesem gemeinschaftlichen Gebet rief. Im Nordwestturm der Basilika, neben der Heiligen Kapelle, befindet sich eine Glocke von mittlerer Größe, aber von immenser Bedeutung: die Glocke “Benditera” oder “de la Oración” (vom Gebet).

Ihr Geläut, anders als das der Glocken, die die Stunden schlagen oder zur Messe rufen, war dazu bestimmt, die Gläubigen innerhalb und außerhalb des Tempels einzuladen, den Salve Regina und natürlich das Stoßgebet “Bendita y Alabada” zu rezitieren. Ihr Klang war eine Erinnerung, die die tägliche Routine der Stadt durchschnitt. Der Händler hörte auf, seine Münzen zu zählen, die Frau unterbrach ihre Hausarbeit, das Kind hörte auf zu spielen. Alle, wo immer sie waren, bekreuzigten sich und sprachen das Stoßgebet. Es war der Klang des Glaubens, der die weltliche Welt unterbrach, um sie zum Göttlichen zu erheben, und der die Gemeinschaft zu einer einzigen, kurzen und machtvollen Stimme vereinte.

Heute, obwohl das manuelle Läuten der Benditera seltener geworden ist, lebt ihr Geist weiter. Die Hymne, die nun über die Lautsprecher ertönt, ist die technologische Evolution jener Glocke und bewahrt ihre ursprüngliche Mission: das Stoßgebet des Lobes kollektiv zu beschwören.

Wie oft ertönt es am Tag? Der Rhythmus der Andacht

Dies ist eine der häufigsten Fragen unter Besuchern. Das musikalische Stoßgebet ‚Bendita y Alabada‘ ertönt nicht zufällig. Seine Wiederholung markiert die Schlüsselmomente des Tages im Heiligtum und schafft einen ritualisierten Rhythmus, der die heilige Zeit ordnet.

Es ist viermal am Tag zu hören, jeweils zu den wichtigsten Andachtsmomenten:

  1. Morgens (gegen 8:00 Uhr): Beim Gebet der Laudes. Es ist der erste „Pfeil“ des Lobes am Tag, eine Weise, die kommenden Stunden dem Schutz der Jungfrau zu weihen.
  2. Mittags (um 12:00 Uhr genau): Ein magischer Moment. Die Sonne steht hoch am Himmel und die Basilika ist usually voller Besucher. Der Klang der Hymne löst eine sofortige und spürbare Pause aus. Hunderte von Menschen, ohne Absprache, hören auf zu reden, zu laufen, Fotos zu machen. Viele bekreuzigen sich, andere rezitieren das Stoßgebet leise, und nicht wenigen stehen die Haare zu Berge. Es ist eine machtvolledemonstration kollektiven Glaubens durch dieses kurze Gebet.
  3. Nachmittags (gegen 18:00 Uhr, je nach Jahreszeit unterschiedlich): Beim Gebet des Heiligen Rosenkranzes. Es ist ein Ruf zur Besinnung und Meditation auf der Zielgeraden des Tages, gekrönt vom Stoßgebet.
  4. Abends (um 20:00 Uhr genau): Beim Gesang der Salve Regina vor dem Hochaltar. Es ist der Abschied des Tages, der letzte Akt der Liebe und des Lobes an die Jungfrau, bevor der Tempel seine Tore schließt. Für viele ist es der emotionalste und feierlichste Moment, dieses Gebet zu sprechen.

Diese vier Anlässe sind keine beliebige Zahl. In der katholischen Symbolik repräsentiert die Zahl Vier das Irdische, die Himmelsrichtungen, die Evangelisten… Es ist eine Zahl der Universalität. So breitet sich das Stoßgebet von Saragossa aus in alle vier Ecken der Welt, zu den vier zentralen Zeitpunkten des Andachtstages.

Eine wenig bekannte Kuriosität: Die Legende der Engel

Es gibt eine schöne und wenig bekannte Legende, die unter den ältesten Gläubigen kursiert. Es heißt, die Melodie von ‚Bendita y Alabada‘ sei nicht von einem Menschen komponiert worden, sondern wurde von einem tauben Mönch gehört, der inbrünstig vor der Heiligen Kapelle betete. In seiner weltlichen Stille erlaubte Gott ihm, “mit seiner Seele” die Musik zu hören, die die Engel unaufhörlich um die Säule der Jungfrau sangen, ein perpetuisches Stoßgebet. Als er aus seiner Ekstase erwachte, konnte der Mönch auf wundersame Weise die Melodie den Musikern der Basilika vorsummen, die sie niederschrieben, damit alle ihre Stimmen mit dem himmlischen Chor vereinen konnten.

Auch wenn es eine Legende ist, liegt ihre Schönheit in dem, was sie vermittelt: die Vorstellung, dass dieses Stoßgebet das Menschliche transzendiert, dass es göttlichen Ursprungs ist und dass wir, wenn wir es singen, uns einer ewigen Symphonie anschließen.

Das Stoßgebet eines Volkes: Jenseits der Religion

‚Bendita y Alabada‘ hat seinen rein religiösen Charakter transzendiert und ist zu einem Symbol der aragonischen Identität geworden. Man singt es bei Wallfahrten, bei den Feierlichkeiten zu Ehren der Jungfrau vom Pilar (wo Millionen von Stimmen es während der Blumenspende anstimmen), in den Häusern der Großeltern und bei Familienfeiern. Für den Aragonesen, unabhängig von seinem Grad religiöser Praxis, evozieren diese Melodie und ihr Text Heimat, Zugehörigkeit und Stolz.

Es ist der Klang des Landes. Es ist das Stoßgebet, das die Geschichte Aragóns zusammenfasst, eines Königreichs, das mit einem Kampfgeist und einem unerschütterlichen Glauben geschmiedet wurde, der die Jungfrau vom Pilar stets als Banner und Beschützerin hatte. Es ist unmöglich, die aragonische Kultur von ihrer pillaristischen Hingabe zu trennen, und ‚Bendita y Alabada‘ ist der ultimative Ausdruck dieser untrennbaren Verbindung.

Schlussfolgerung: Wenn das Stoßgebet ertönt

Das nächste Mal, wenn Sie über den Platz del Pilar gehen und die Uhr zwölf Uhr mittags oder acht Uhr abends schlägt, halten Sie inne. Warten Sie. Lassen Sie den Trubel der Stadt für einen Moment verblassen. Wenn die ersten Töne von ‚Bendita y Alabada‘ aus der Basilika zu strömen beginnen, schließen Sie die Augen und hören Sie wirklich zu.

Hören Sie nicht nur eine Melodie. Hören Sie ein zweitausend Jahre altes Stoßgebet. Hören Sie den Glauben unzähliger Generationen, die ihren Liebespfeil gen Himmel schießen. Hören Sie die Legende von Jakobus und der Erscheinung der Jungfrau. Hören Sie das Läuten der Benditera-Glocke, die die Gläubigen ruft. Spüren Sie die Identität eines ganzen Volkes, stark, edel und stur wie sein Land. In diesem Augenblick werden Sie kein bloßer Zuschauer sein; Sie werden Teil einer goldenen Kette aus Glauben und Kultur sein, die die Vergangenheit mit der Gegenwart, das Menschliche mit dem Göttlichen, die Erde mit dem Himmel verbindet.

‚Bendita y Alabada‘ ist letztendlich das Stoßgebet, das der Herzschlag des Pilar ist. Und, by extension, der Herzschlag der Seele Aragóns.

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